Zuckerwasser?

Anfrage von Frau Martina PfarrhoferLandbauschule Dottenfelderhof
„Gibt es Alternativen zur Zuckerwasserfütterung?“

Antwort von Frau WL Liane Singer
Bienenzucht- und Lehrstation
CARNICA SINGER
A-3251 Purgstall an der Erlauf
E-Mail: carnica.singer@utanet.at
www.carnica-singer.at


Zu Ihrer Frage: „Warum muss man Bienen im Spätsommer füttern?“ einige Gedanken.

Bienen bevölkern die Erde doppelt so lange wie der Mensch. Die Bienen brauchen nicht den Menschen zum Überleben, sondern der Mensch braucht die Bienen. Treffend hat die Bedeutung der Bienen Albert Einstein wie folgt beschrieben: "Wenn die Biene von der Erde verschwindet, dann hat der Mensch nur noch vier Jahre zu leben. Keine Bienen mehr, keine Bestäubung mehr, keine Pflanzen mehr, keine Tiere mehr, keine Menschen mehr."

Die Honigbiene, ein Staatenbildendes Insekt wird auch als „der Bien“ bezeichnet und besteht aus einer Königin, mehreren tausend Bienen und in der Sommerzeit im Verhältnis zu der Bienenanzahl aus 10 Prozent Drohnen, dem Wabenbau und dem notwendigen Futtervorrat. Der Bien benötigt für seine Ernährung Kohlehydrate und Eiweiß, welches die Bienen zur Blütezeit der Flora durch Sammeln von Nektar und Pollen in ihre Behausung schaffen und einen entsprechenden Futtervorrat in den Wachszellen einlagern um auch in trachtloser Zeit Nahrung vorrätig zu haben. Als der Mensch den Futtervorrat der Bienen entdeckte, wurde er zum Honigjäger und es ist ihm gelungen so manches Bienenvolk zu berauben. Erst in der Frühgeschichte hat der Mensch erkannt, dass die Bienen den Futtervorrat zum Überleben benötigen und in der Folge den Honig erst vor der bevorstehenden Blütezeit  dem Bien entnommen. Diese Methode wurde von den „Zeidlern“ (frühere Benennung der Imker) bis zur Zuckerproduktion  gehandhabt und erst als man erkannte, dass man den Bienen ihr eingetragenes Winterfutter, den guten Honig schon kurz nach der Tracht entnehmen kann und dem Bien für eine Überwinterung Zuckerwasser (Zuckerlösung) als Ersatzfutter genügt, bekam die Bienenhaltung für viele Imker eine lukrative Bedeutung.

Mein Großvater, Johann Dötzl, betrieb in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts eine Imkerei mit rund 200 Bienenvölker im österr. Weinviertel und war zu seiner Zeit ein sehr anerkannter Bienenzüchter. Für ihn kam eine Zuckerfütterung im Herbst nicht in Frage und er nützte, um Ihre Worte zu gebrauchen, „Alternativen zur Zuckerwasserfütterung“.

Er imkerte in sehr großräumigen Beuten, dem Österreichischen Breitwabenstock,  und hatte aus heutiger Sicht , schon eine sehr fortschrittliche Betriebsweise in seiner Imkerei. Die erste Jahres- Trachtpflanze der Bienen war die Akazie (Robinie), gefolgt von Esparsette (Onobrychis vicifolia), einer Kleesorte, die bevorzugt als Pferdefutter Verwendung fand. Blütenhonig von der Akazie und von der Esparsette entnahm er den Bienenvölkern, setzte je ein Halbmagazin mit Leerrähmchen auf die abgeschleuderten Völker und diese wurden im August mit reichlich Pollen und Honig vom Vusperkraut (Lamiaceae/Stachys annua), einem Unkraut auf den abgeernteten Äckern ( besonders auf Stoppelfelder) von den Bienen gefüllt und diesen Honig, etwa 10 kg pro Volk, überließ er den Bienen als Winterfutter. 1958 habe ich von meinem Großvater die Imkerei übernommen und ich musste von Beginn an die Bienen im Herbst mit Zuckerwasser füttern, weil es aufgrund der Modernisierung in der Landwirtschaft Stoppelfelder mit Vusperkraut nicht mehr gab. Nach kurzer Zeit gab es auch keine Esparsetten-Kleefelder mehr weil die Pferde immer weniger und die Traktoren immer mehr wurden. Als Trachtpflanze verblieb damals im Weinviertel nur die Akazie und wenn man die Bienen ohne Zuckerfütterung hätte erhalten wollen hätte man eine Imkerei ohne Honigernte betreiben müssen.Zu Ihrer Frage: „ macht es überhaupt Sinn an dieser Arbeit weiterzumachen?“
Wenn der Ruf – Zurück zur Natur – Gehör finden würde und die Biobauern das Vusperkraut als Gründünger nützen würden, wäre in bestimmten Regionen und ganz besonders im pannonischen Gebiet wieder gesundes Naturwinterfutter für die Bienen vorhanden und in gleicher Form wäre für Äcker-Brachflächen, die vielerorts mit Fördergelder belegt sind, der Anbau von Phacelia (tanacetifolia) als Gründünger und Bienenweide zu empfehlen.

Zur Frage: „warum muss man die Bienen im Spätsommer füttern?“
Weil der Imker dem Bienenvolk den lebensnotwendigen gesammelten Futtervorrat, meist den gesamten  Honig, entnimmt.
In der Natur finden die Bienen zum Überleben genügend Futter in Form von Nektar und Blütenstaub, jedoch zum Berufszweig Imkerei gehört die Honigernte. Ohne Honigertrag wird es auch keine Imker geben.
80 % unserer Kulturpflanzen werden von den Bienen bestäubt und die Bienen sind somit ein wichtiger Faktor in der gesamten Landwirtschaft. Durch entsprechende Bestäubungsprämien seitens der Landwirtschaft könnte die Imkerei auch ohne große Honigernten aufrecht erhalten werden und viele Imker könnten auch dann im Bewusstsein der Mitverantwortung für Flora und Fauna mit der Pflege ihrer Bienen einen großen Beitrag zu einer intakten Umwelt und  guten Lebensqualität leisten.