Königinnenzucht

Die Zucht von leistungsstarken Königinnen als Grundvoraussetzung des betrieblichen Erfolgs

von IM Heidrun Singer

Die Zucht von leistungsstarken Königinnen als Grundvoraussetzung des betrieblichen Erfolgs
Grundvoraussetzung für die Zucht sind einerseits fundiertes Wissen über die biologischen Gegebenheiten des Bienenvolkes und andrerseits über die Geschichte der Biene, ihren Ursprung und ihr Werden, gepaart mit entsprechender Betriebspraxis und –weise.
Die Carnica hat ihr Ursprungsgebiet im Balkanraum und auf Grund der dort herrschenden Umweltbedingungen ist eine Vielzahl guter Eigenschaften in ihrem Erbgut verankert. So war zum Überleben der Biene eine enorme Widerstandskraft gegenüber Krankheiten bei kleinster Gemeinschaft, äußerste Sparsamkeit (im Sinn von Vorratsanlegung von Honig und Pollen) und explosionsartige Entwicklung zum Ausnützen oft nur kurzer Trachten erforderlich.Während in früheren Zeiten die Natur die Auslese betrieb, indem alles nicht Widerstandsfähige und somit Lebensunfähige ausgeschieden wurde, ist es heute der Züchter, der bestimmt wer als Erbvermittler in Frage kommt.

Hier stellt sich die erste Frage : Wann erscheint mir eine Königin wert als Zuchtmutter verwendet zu werden?

Grundvoraussetzung für eine Auswahl ist eine bestimmte Mindestanzahl von Völkern – denn ich kann nur dann wählen wenn ein entsprechendes Angebot vorhanden ist Meiner Ansicht nach liegt die unterste Grenze bei 100 Bienenvölkern.
Wichtigster Indikator für die Leistung eines Bienenvolkes ist die erbrachte Honigleistung. Denn wenn die Honigleistung stimmt, stimmen meist auch alle anderen für die Zuchtauslese entscheidenden Kriterien. Ein Volk, das schwärmt – ein Volk, das sich nicht optimal geänderten Umweltbedingungen anpasst (vgl. in Trachtlücken Brutstop...),- das nicht widerstandsfähig gegenüber Krankheiten ist – wird nie in der Honigleistung entsprechen!
Liegt nun ein Volk im 2.Jahr über dem Durchschnitt im Honigertrag, so wird es , wenn es zuchtwürdig erscheint, weiteren Prüfungen unterzogen. Das erste Jahr ist das sogenannte „Eingewöhnungsjahr“ der Königin und als Aufbaujahr (sie überwintert bei Herbsteinweiselung nicht mit den eigenen Bienen) zu verstehen und daher nicht als Leistungsprüfjahr zu sehen.Und hier trennen sich nun die Wege von Honigerwerbsimker und Züchter. Während der Honigerwerbsimker für seine Völker nur beste Standorte (guter Standplatz, gute Trachtquelle) auswählen wird, muss der Züchter verschiedenste Varianten prüfen.

Das ausgewählte Volk muss als „Klassenbester“ sowohl in günstigen Tracht und Umweltbedingungen, in mittleren Tracht und Umweltbedingungen und in schlechtesten Tracht und Umweltbedingungen (z.Bsp. schlechter Überwinterungsplatz – Nordhang, feuchte Tallagen, Ausnützung nur einer Tracht ...) bestehen. Entscheidend ist auch, dass in der Zucht alle Eingriffe, die die objektive Beurteilung beeinflussen, zu unterlassen sind. Jedes Volk ist als Individuum zu sehen. Der Züchter darf niemals Volkverstärkungen (z.Bsp. Vereinigungen im Frühjahr) oder Schwarmverhinderungen durchführen. Das „Flügelstutzen“ der Königin ist abzulehnen, da die Bienen dieses Gebrechen sehr schnell erkennen und dazu neigen umweiseln zu wollen! Weiters haben Heilmittel jeglicher Art, prophylaktisch oder heilend, in der Zucht nichts verloren. Sie führen jede Aussage über die Widerstandskraft eines Volkes ad absurdum.Seit Auftreten der Varroamilbe ist es allerdings erforderlich geworden eine Entmilbung auf ein für die Bienen erträgliches Maß durchzuführen. Es ist jedoch von enormer Wichtigkeit den Milbenabfall zu kontrollieren, denn nur so können Unterschiede in der Varroatoleranz festgestellt und herausgefunden werden. Zum Zwecke der Entmilbung verwenden wir ausschließlich Ameisensäure – mit Erfolg.Der Wunschtraum einer varroaresistenten Carnicabiene wird noch viel Prüfung, Beobachtung und Auslese beanspruchen.

Von größter Wichtigkeit bei all diesen Prüfungen (und in der Bienenzucht überhaupt) ist eine exakte, einfache Aufschreibung. In der Abstammungskarte der Königin werden alle wichtigen Daten festgehalten – sie ist der Identifikationspass der Königin. Aus diesem „Pass“ können dann auch alle weiteren für die Zucht wichtigen Auswahlkriterien ersehen werden. Das sind neben der bereits erwähnten Honigleistung, die von der Honigleistung indizierte Schwarmträgheit, Sanftmut korreliert mit festen Wabensitz, der enorm wichtige Putztrieb, der in direktem Zusammenhang mit der Propolisverwendung zu sehen ist und schlussendlich die Langlebigkeit. Die Langlebigkeit ist im Erbgut der Carnica verankert und steht in direktem Zusammenhang mit der Harmonie eines Bienenvolkes. Der enorme Vorteil der Langlebigkeit der Carnica-Königinnen, Bienen und Drohnen darf nicht unterschätzt werden (vgl. Cordovan Versuche meines Vaters).

Hat nun eine Königin all diese Prüfungen bestanden (ist praktisch in drei Jahren durchführbar) so sind die morphologischen Merkmalsbestimmungen nur mehr reine Routine. Mit der Körung beweist man, dass die Königin ihrer Abstammung entspricht, reinrassig ist. Es ist nicht wünschenswert die der Carnica eigenen „Ecken“ wegzuzüchten, da gerade diese Farbzeichen ein Indiz für besondere Vitalität sind.Nach all diesen erfolgreich bestandenen Prüfungen erscheint nun die fünfjährige Königin (vgl. Langlebigkeit) wert als Zuchtmutter und somit Erbvermittler auftreten zu dürfen.
In unserem Betrieb werden jährlich 10 Elitevölker als Zuchtvölker wertgeschätzt – das entspricht 2% der Gesamtvölker und es erübrigt sich somit jede weitere Ausführung.

Wie hat nun die Aufzucht der Königinnen zu erfolgen und hat die Aufzucht Einfluss auf die Qualität der Königin?

Grundvoraussetzung ist ein optimales Pflegevolk. In unserem Betrieb stehen 100 Auslesevölker einzig und allein der Königinnenzucht zur Verfügung. Aus diesen Völkern werden Brutwaben mit Bienen entnommen und auf ein weiselrichtiges Bienenvolk über ein Absperrgitter gesetzt. Eine entsprechende Futtergabe ist selbstverständlich. Aus diesen „Bienentürmen“(eine „Erfindung“ meiner Mutter) werden nach 10 Tagen (vgl. alle Brutwaben sind verdeckelt) Brutwaben entnommen und in einen leeren Stock am selben Standort umgehängt. Das hat den Vorteil, dass alle Flugbienen ins Muttervolk zurückkehren und im Pflegevolk nur Jung und Pflegebienen sind. Wichtig ist bei diesem Umhängen das Kontrollieren und Ausbrechen eventuell vorhandener Weiselzellen. Am selben Tag werden die vorbereiteten Weiselnäpfchenrahmen zur Säuberung und Fühlungsnahme ins Pflegevolk gehängt. Durch die optimale Pflegestimmung und Überzahl der weiselfuttersaftproduzierenden Ammenbienen wird vereinzelt sogar Weiselfuttersaft in die Näpfchen gegeben. Nach einer Stunde werden die Rahmen entnommen und mit jüngsten Maden belarvt (vgl. trockenes Umlarven).Wichtig ist die optimale Honig und Pollenversorgung des Pflegevolkes, wobei zu beachten ist, dass der Sammeleifer gegenüber der Aufzucht und Pflegestimmung überwiegt. Hier ist das richtige Mittelmaß zu finden.2 Tage nach dem Belarven kommen sogenannte biologische „Varroafallen“ in das Pflegevolk. Es wird direkt neben dem Zuchtrahmen eine offene Brutwabe eingehängt und alle „Varroas“ sammeln sich nun in dieser, so dass die Weiselzellen varroafrei bleiben. Nach 8 Tagen werden die 12 Tage alten Weiselzellen mit dem Rahmen äußerst vorsichtig in den Brutschrank gestellt. Die Brutschranktemperatur beträgt 35 Grad C mit einer Schwankungsbreite von 0,2°C und einer Luftfeuchtigkeit von 70%, die mittels gesättigter Kochsalzlösung erreicht wird und durch ein Hygrometer kontrolliert wird. Am 15.Tag werden die Weiselzellen, die nun kurz vor dem Schlupf stehen, in Käfige mit je vier Bienen umgehängt. Der Schlupf der Königin im Beisein von Bienen ist für die weitere Entwicklung extrem wichtig. Bereits vor dem Schlupf der Königin erfolgt die erste Futteraufnahme (es gibt dazu hervorragende filmische Aufnahmen meines Vaters) und die Bienen sind der Königin beim Schlüpfen behilflich. Eine von Bienen betreut geschlüpfte Königin verhält sich ihr Leben lang „sozialer“ (es wird kaum zu Kämpfen mit Bienen kommen) und es ist dies eine entscheidende Grundvoraussetzung für ihre Langlebigkeit. Nach dem Schlupf der Königin sollte diese schnellstmöglich weiterverarbeitet werden.

Wir verwenden dazu Dreiwabenkästchen (das „Singer“-Kästchen – von meinem Vater entwickelt und der Fa. Schade erstmalig produziert), die mit jungen, unverbrauchten Bienen aus den für die Zucht bereitgestellten Völkern gefüllt werden. Ein Aussieben der Drohnen erübrigt sich, da es sich um ausgelesene Völker, alle im abgeschirmten Bereich unserer Belegstelle „Ötscher“ aufgestellt, handelt. Die mit drei Mittelwaben ausgestatteten und mit einer Futterlösung 1:1 versorgten Dreiwabenkästchen stellen optimale Kleinstvölker dar. Die Königin wird nun mit Honiglösung besprüht durch das Flugloch in das mit Bienen (1/4 kg) gefüllte Kästchen gelassen. Nach 3Tagen temperierter Dunkelhaft wird das Kästchen (die Mittelwaben sind ausgebaut und das Futter ist eingelagert) aufgestellt und alles weitere obliegt der Königin – vorausgesetzt der Imker hat für die entsprechenden Vatervölker gesorgt!Wie komme ich nun zu optimalen Vatervölkern?
Vatervölker sind Vollvölker mit vierjährigen Königinnen im 3. Prüfjahr. Das heißt auch diese Völker müssen hinsichtlich aller Prüfkriterien und Auswahlkriterien entsprechen. Eine Körung auch dieser Völker ist selbstverständlich. Die Königinerneuerung bei den Vatervölkern erfolgt oft durch stille Umweiselung auf der Belegstelle „Ötscher“ – dies ist ein erwünschtes Merkmal und garantiert für gute Vatervölker.

Die erste Lenkung der Vatervölker erfolgt bei der Herbstrevision – es wird eine Drohnenwabe direkt ans Brutnest gehängt. Im Frühjahr beziehen die Bienen diese Drohnenwaben sehr früh ins Brutgeschäft mit ein ( und vernachlässigen sie auch nicht bei einem Schlechtwettereinbruch) – das ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass rechtzeitig geschlechtsreife, vitale Drohnen für die Zucht vorhanden sind (vgl. ein Drohn braucht 50 Tage bis zur Geschlechtsreife).Für die Qualität der Drohnenvölker ist nicht allein die Menge (Anzahl) entscheidend ,sondern sehr wesentlich die Stärke der Vatervölker. Erst ab einer Volkstärke von 50.000 Bienen aufwärts kann von einem guten Vatervolk gesprochen werden. Denn nach dem Grundsatz, dass 10% der Brut auf Drohnenbrut entfällt, erklärt sich das von selbst. Von bedeutender Wichtigkeit ist die Honigversorgung der Vatervölker – denn nur gut versorgte und gefütterte Drohnen sind vital. Im Klartext bedeutet dies, dass der Honigstrom nie unterbrochen werden darf. Denn nur Drohnen, die auf Honigwaben „spazieren gehen“ sind „Superdrohnen“. In diesem Zusammenhang wäre zu erwähnen, dass es sich bewährt hat bei Vatervölkern ohne Absperrgitter mit Halbeinheiten zu arbeiten, da der bevorzugte Aufenthaltsort der Drohnen der Honigraum ist.

Wie kommt es nun zu einer Vollpaarung der Königin?

Nach der Schaffung aller Voraussetzungen durch den Imker  - Königinnen sind in optimalen Kleinstvölkern, Vatervölker stehen in ausreichender Zahl und bester Qualität bereit – liegt nun das weitere Schicksal der Königin nicht mehr in der Hand des Züchters. Er ist nur mehr Beobachter der Vollpaarung!
Nach 5 Tagen ist die Königin geschlechtsreif und unter der Voraussetzung der passenden Wetterverhältnisse bereit zum Ausflug, zum Paarungsflug. Sämtliche Erfahrungen und Erkenntnisse über Orientierungsflüge und Drohnensammelplätze verlieren bei einem entsprechenden Angebot bzw. Überangebot an vitalen und geschlechtsreifen Drohnen in unmittelbarer Nähe der Königin an Bedeutung. Die Königin wird sofort nach Verlassen des Dreiwabenkästchens von einer Schar Drohnen quasi überfallen und der Vollpaarung zugeführt unter dem Aspekt, dass sich auch hier wieder nur die besten, schnellsten und somit vitalsten Drohnen durchsetzen. Hier greift die Natur in die gelenkte Zucht des Imkers ein und es ist die freie Anpaarung der künstlichen Besamung vorzuziehen (vgl. ein „schlechter“ Drohn wird nicht zum Zug kommen).
Zirka 3 Tage nach der Begattung beginnt die Königin mit der Eiablage – und hier setzt ein weiteres Auswahlverfahren ein : jede Königin, die nicht innerhalb von 14 Tagen begattet ist , wird abgedrückt.Sobald die Königin verdeckelte Brut in Form eines geschlossenen Brutnestes aufweist (das ist ein weiteres Kontroll- und Auslesekriterium) wird sie aus dem Kästchen gefangen und der weiteren Verwertung zugeführt.
Da die Dreiwabenkästchen optimale Kleinstvölker sind werden sie in Folge noch drei Mal mit schlupfreifen Königinnen bestückt – das Beschriebene beginnt von vorne.

Zusammenfassend wäre zu sagen:
Die drei Grundvoraussetzungen für leistungsstarke Königinnen sind
1. die Ausgangsbasis (Zuchtmaterial)
2. die Aufzucht (optimales Pflegevolk)
3. die Vollpaarung (beste Vatervölker)

Wenn es dem Züchter gelingt all diese Faktoren und die sehr wesentlichen Unterfaktoren der Faktoren zu erkennen und umzusetzen, so kann eigentlich nichts mehr schief gehen.

Wir haben mit der Carnica  eine Biene, die nicht nur enorm anpassungsfähig ist, sondern ein unerschöpfliches Potenzial an guten Eigenschaften aufweist, so dass wir uns glücklich schätzen können mit dieser Biene eine für uns einträgliche Symbiose eingehen zu dürfen. Es liegt an uns ,jedem einzelnen, das uns Dargebotene sinnvoll zu nützen und weiter zu entwickeln. Sinnvoll im Sinn von bienen- und imkergerecht im Einklang mit der Natur und nicht einseitig aus rein wirtschaftlichen, kurzlebigen Interessen.
Hybridzüchtungen bringen zwar kurzzeitige Erfolge in der F1 Generation, jedoch widerspricht die notwendige turnusmäßige Umweiselung einer langfristigen Sichtweise.
Kombinationszüchtungen bergen die Gefahr einer einseitigen Selektion (vgl. mangelnde Widerstandskraft gegen Krankheiten) und sind daher auch nicht empfehlenswert.Die Zucht von leistungsstarken Königinnen als Grundvoraussetzung für den betrieblichen Erfolg verbindet Züchter und Honigerwerbsimker – denn beide wollen dasselbe:Größtmöglichen Erfolg bei geringsten Aufwand.
Daraus folgt, dass ersteres (Zucht) erfolgreiches zweiteres (Honigertrag muss stimmen) bedingt und ermöglicht.
Keine der drei Grundfaktoren – Ausgangsbasis, Aufzucht und Vollpaarung – darf isoliert betrachtet werden, da sie einander bedingen und nur in ihrer Harmonie zu einander den gewünschten Erfolg garantieren.


IM Heidrun Singer

Bienenzucht-und Lehrstation
CARNICA SINGER
A-3251 Purgstall/Erlauf
Tel./Fax: 07489/2276
E-Mail:carnica.singer@utanet.at

Fünfstündige Original-Klausurarbeit im Rahmen der Imker-Meisterausbildung 2002 in Graz
Veröffentlicht im „Bienenvater“1/2003