Bestäubungsrichtlinie

Bestäubungsrichtlinie (apistische) – honeybee pollination directive
Mag.Harald Singer 2007

„Apistische Basisvoraussetzung für die Bestäubung“

Kurzfassung des Vortrages anlässlich des „Imkerinnen-Treffen 2007“
veranstaltet von der „Plattform Imkerinnen Österreich“  www.imkerinnen.at  
Sonntag, 21. 10. 2007
Mag. Harald SINGER, singer.harald@aon.at
 

Gute Bestäubung unserer Kulturpflanzen ist eine Grundvoraussetzung für die Nahrungsmittelversorgung. Die Notwendigkeit ist weltweit anerkannt, in vielen Staaten hat sich als wirtschaftliche Folge eine „Bestäubungsindustrie“ etabliert, ein eigener Zweig der Imkerei, der nicht aus dem Ertrag der Imkereiprodukte sondern durch das professionelle „Vermieten“ von Bienenvölkern für Bestäubungsdienste sein Einkommen erzielt.  

In der EU sinkt in vielen Staaten die Zahl der aktiven Imker und der bewirtschafteten Bienenvölker. Dies hat unweigerlich Folgen für die Umwelt, Nahrungsmittelindustrie und unsere Ökosysteme. Ein Schritt dem entgegenzuwirken ist der zeitgerechte Aufbau von organisiertem Bestäubungsdienstleistungen nach Grundstrukturen, wie wir sie in einigen Ländern bereits vorfinden. 

 Ich wurde zur Mitarbeit aufgefordert und bin aus Überzeugung bereit, mein Wissen und als Sprecher des Weltberufsimkerbundes Informationen aus aller Welt von Berufskollegen einzubringen. Seit 1986 führe ich Bestäubungstätigkeit mit meinen Bienenvölkern durch. Ich hatte somit bereits Gelegenheit eigene Erfahrungen mit meinen Bienen in Österreich und Italien bei Obst (Apfel, Birne, Kiwi), Sonnenblume, Kürbis, Öldistel, Fenchel, Saatgutzucht (Raps) alternativen Feldkulturen und Gemüse in Folientunneln bei einem Gemüsebaubetrieb zu sammeln. Berufskollegen und Freunde aus Italien, Frankreich, Spanien, USA, Argentinien, Neuseeland, Kanada, Israel und Südafrika haben mir ihre Erfahrungen in Diskussionen und auch vor Ort weitergegeben. Ein Grundgerüst ist vorgegeben. Was fehlt sind nachvollziehbare Leistungen und Standards. Leistung muss abgegolten werden, hat dementsprechend aber auch Richtlinien zu erfüllen und Kontrollen zu bestehen.

  Mit anderen Worten: Es fehlt eine Bestäubungsrichtlinie die klar definiert, wie stark hat ein Bestäubungsbienenvolk zu sein, wie setzt es sich zusammen, welche gesetzlichen Auflagen sind einzuhalten, wie viel Bestäubungseinheiten sind für welche Kulturart und Fläche für einen optimalen Fruchtansatz erforderlich, welche Preise sind im Preis-Leistungsverhältnis gerechtfertigt? Die Vermittlung von Bestäubungsimkern und Landwirten, Agroindustrie ist zu organisieren.

Eine weiters Problem ist das fehlende „know how“ beider Partner in der neuen Zusammenarbeit! Der Landwirt kann nicht so recht die Bedürfnisse und Instinkte der Bienen verstehen. Auf der anderen Seite hat sich der Imker mit seinen Bienenvölkern an die Vorgaben der Landwirte (zB Blühbeginn einer klimatisierten Erdbeerkultur im Glashaus Anfang Februar) anzupassen. Er hat seine Bienenvölker für die bevorstehende Aufgabe entsprechend vorzubereiten und sie „arbeitseinsatzfähig“, „arbeitswillig“ zu bestimmten Terminen zu machen. Der Imker findet unter diesen künstlichen Umweltbedingungen viele Gefahrenquellen für seine Bienen. Im Interesse einer optimalen Bestäubungsleistung ist ein gemeinsames Grundwissen durch Seminarbesuche von Bestäubungsimkern und auch Dienstleistungsnehmern in vielen Bereichen wie zB Bestäubungsbiologie usw. notwendig. Ein Bestäubungsseminar hat das notwendige Grundwissen für die Aufgabe zu Übermitteln, Probleme aufzuzeigen und Lösungsvorschläge zu unterbreiten. Die Gefahren sind allgegenwärtig und den Partnern oft nicht bewusst. Dies kann zB die Lichtquelle im Folientunnel, die relative Luftfeuchtigkeit oder der CO2-Gehalt der Luft, die Temperaturen usw. sein. 

Um eine Sicherheit für den Dienstleistungsnehmer zu gewährleisten muss neben einer Bestäubungsrichtlinie auch ein zeitlich begrenzter Lizenzvertrag garantieren, dass der Imker das aktuelle „know how“ besitzt und seine Bienenvölker jederzeit kontrolliert werden können, um seine Dienstleistung zu garantieren und die Prämien zu gerechtfertigen.   

 In meinem Referat werden die Grundbegriffe der Bestäubung kurz erklärt um Grundwissen aufzufrischen und zu erweitern. 
Die wirtschaftliche Bedeutung der Honigbiene wird an einigen Beispielen aufgezeigt. Wird einerseits nur der Wert des Honigertrages als Maßgrundlage herangezogen, so sind die Bienen auf  Platz 4. der Nutztiere hinter Rind, Schwein und Geflügel!
Rechnet man die Bestäubungsleistung mit den resultierenden Produkterlösen, so wird behauptet, dass dieser Wert 300 mal über dem des Honigertrages liegt.
Es gibt aber auch eine mathematische Formel für den Bestäubungswert bezogen auf  untersuchte Kulturarten.  (Vhb = VxDxP)    (Robinson et al.; ABJ; (6), 411- 423; (7), 477-487, 1989)
Diese Grundlagen sind dann Inhalt von Bestäubungsseminaren.

 Bei Bestäubungsmanagement wird auf Monokulturen, Qualität und Quantität von Früchten und die Saatgutzüchtung eingegangen. Als Beispiel wird der Einfluss beim Apfel bei guter Bestäubung anhand seiner Größe, Form, Gewicht und seiner Inhaltsstoffe gezeigt. Viele Samen fördern Bildung von Gibberelline, einem Hormon der Samenzellen. Diese verhindern ein Abstoßen von der Pflanze, fördern die Zellteilung. Als Folge ist die Frucht größer, fester und haltbarer.
Daneben steigt aber auch mit zunehmender Samenzahl der Kalziumgehalt in der Frucht. Im Apfel ist das Verhältnis  Kalium zu Kalzium für die innere Fruchtqualität  mitverantwortlich. (Mantinger 98) Auch dies fördert die Lagerfähigkeit.

 Zahlen belegen, dass der Bestäubungswert zB in den USA bereits anerkannt ist und umgesetzt wird. So werden in Kalifornien in den Mandelplantagen  bis zu einer Million Bienenvölker für die Bestäubung eingesetzt. Dies sind etwa 50% der bewirtschafteten Kolonien. Mein Freund Miller aus Nord Dakota transportiert jährlich ca. 12.000 Bienenvölker innerhalb einer Woche nach Kalifornien und es rechnet sich für alle Beteiligten!

 Wie überall haben auch wir Probleme bei unserer Tätigkeit. 
Agrochemikalien sind des Einen Segen (?) und des Anderen Fluch! 
Anhand von Imidacloprid wird das Molekühl vorgestellt, Geschichte und  dessen Wirkung im Pflanzenbau besprochen. Folgen für Bestäubungsinsekten wie Wirkung auf  Nervenzellen, Bienenverhaltensänderungen und Folgeprobleme sind Diskussionsgrundlage.(Dillon, 2001)  

Aus Aktualitätsgründen wird Bt-Genmais vorgestellt. Was ist er? Was kann er? 

 Der Themenschwerpunkt „Bestäubungsimker“ gibt ein Anforderungsprofil wieder.
Spezialisierung, betriebstechnische Umstellung, betriebswirtschaftliche Umstrukturierung und auf Bestäubungskultur ausgerichtete spezifische Völkerführung werden vorgestellt.
 

Welche Bestäubungspflanzen haben wir?
Weltweit werden 400 Feldfrüchte (Crane, Walker; 1984) als Bestäubungspflanzen bezeichnet. 130 Fruchtarten werden in den USA professionell bestäubt. 
In der EU sind es 13 Kulturpflanzen, die ausschließlich von Bienen bestäubt werden. (Fluri 2000)

 Wichtig sind auch Grunddaten wie Zahl der Bienenvölker / ha Kultur. Die „Bibel“ der Bestäubungsimker weltweit ist das Buch von Crane & Walker; 1984. Hier einen Auszug mit Besatzvorschlag:

Kultur:     Bienenvölker (Zahl)
 
 Apfel    2 +
 Birne    1 – 5
 Kirsche   2 – 3
 Mandel   5 – 8
 Schw. Johannisb.  6
 Gurke    10
 Kürbis    2 – 4
 Luz.    4 – 8
 Raps    2 – 6
 Sonnenbl.   1 - 4
 
 Bestäubungspraxis ist Grundwissen das in die Themen Bienenvolkdichte kulturbezogen, Entfernung der BV zur Kultur, Verteilung der BV in der Kultur, optimaler Zeitpunkt der Aufstellung (bei 10 % geöffneten Blüten; J. van Praagh), Bestäubungsrate steigernde Maßnahmen mit deren Möglichkeiten besprochen wird.
In der Praxis wird unterschieden in Freilandkultur, Folientunnel mit Unterteilungen und als Extremfall das Mare di plastico.
Als Beispiele werden im Freiland eine Apfelkultur und unter Folie eine Erdbeerkultur gezeigt.  

Neben der imkerlichen- und pflanzenbaulichen-Seite ist auch auf die administrative Umsetzung mit all ihren Pflichten und Verpflichtungen aktuell Rücksicht zu nehmen und Folge zu leisten. Die juristischen Aspekte eines Bestäubungsvertrages, die vertraglichen Bestäubungsrichtlinien, werden von Herrn MMag. Friedrich Haselsteiner (www.fhkommunikation.at) behandelt.

  Rückverfolgung der Produkte ist eine Selbstverständlichkeit unseres Marktes. Nur so können Fehler und Probleme rasch beseitigt und behoben werden. Bestimmungen wie EUREP GAP und HACCP sind einzuhalten und umzusetzen. Wenn im Supermarkt eine Packungseinheit Äpfel oder Erdbeeren gekauft wird, so muss alles am Etikett nachvollziehbar sein. Mit anderen Worten ist auch der Bestäubungsimker mit seinen Bienenvölkern registriert, festgehalten. Aufzeichnungspflicht (Varroabehandlungsdaten,...) sind Grundvoraussetzungen und können gegebenenfalls durch Behörden kontrolliert werden. Dokumentationspflicht für einen gültigen Lizenzvertrag wird Punkte wie betriebstechnische Maßnahmen, Varroabehandlung, Bestäubungsvorbereitungen, Königinnengrunddaten usw. beinhalten um Qualität zu garantieren! 

 Ein Problem ist, dass wir keine Regelung für Bienen betreffend Einheitsgrößen haben. Als Kommissar des Epba hatte ich festgehalten, dass die EU eine Förderrichtlinie für die Imkerei (damals 1221, jetzt 747/04) aber keine Haltungsrichtlinie wie in anderen Sparten hat. Normalerweise ist das nicht möglich. Zuerst muss eine Haltungsrichtlinie definieren, was ist zB ein Bienenvolk, dann kann erst eine Förderrichtlinie eingesetzt werden. Ich habe mit meinem damaligen Rechtsreferenten des Epba, Prenzyna aus Deutschland, in Zusammenarbeit eine Bienenhaltungsrichtlinie entworfen und national wie auch über die COPA-COGECA der europäischen Kommission vorgestellt. Die Notwendigkeit wurde nicht erkannt und unsere Bienenhaltungsrichtlinie liegt im Dornröschenschlaf.

 Auch bei unserer Bestäubungsarbeit ist eine Definition unumgänglich, damit Größen verglichen und standardisiert werden können. Ein Bienenvolk ist nicht gleich Bienenvolk!!! Schon Kobel hat 1942 bei Bestäubung richtig erkannt, dass nicht die Zahl sondern die Leistungsfähigkeit der Bienenvölker wichtig ist. 
Jeder muss sich im klaren sein, dass bei Bestäubungsarbeit nicht Schwächlinge, die für die Honigproduktion nicht entsprechen, oder Überschussmaterial in Form von Ablegern zum Einsatz kommen kann. Das Material hat Anforderungen zu entsprechen und muss TOP sein! Wir bekommen eine gerechte Entlohnung durch Prämien und haben andere Produkte zu vergessen! „Bestäubungsprämie ist die Kompensation für Völkerverluste!“ (J. van Praagh)  

Bekannte Prämiensätze werden vorgestellt und können leider untereinander schwer verglichen werden, weil es keinen Standart gibt.

 Ich schlage daher folgenden Standart für die Lohnbestäubung vor, der natürlich kontrolliert werden muss, um Maßstäbe zu setzen, die einen Wirtschaftserfolg für beide Seiten garantieren.

 Bienenbestäubungsrichtlinie: (honeybee pollination directive; Singer 2007)
 Eine Grundbestäubungseinheit ( 1 BV) soll bestehen aus mindestens: 
 

1. 2 Magazinen Langstroth (20R.) Volumsbezogen 
2. 20.000 Bienen
3. 8 Brutwaben
4. 5 kg Futter (Honig)
5. 1 Pollenwabe
6. 1 – 2-jährige Königin
7. Varroabehandelt nach Aufzeichnungsdatei
8. Frei von allen Krankheiten
 
  Für einen Folientunnel kann 1⁄2 Bestäubungseinheit definiert werden:
 
1. 1 Magazinen Langstroth (10R.) 
2. 10.000 Bienen
3. 4 Brutwaben
4. -2,5 kg Futter (Honig)
5. 1 Pollenwabe
6. 1 – 2-jährige Königin
7. Varroabehandelt nach Aufzeichnungsdatei
8. Frei von allen Krankheiten
 
 Preiskalkulation für 1 Bestäubungseinheit (Singer 2007)
Kosten: Logistik, Arbeitszeit, Bienenvolk nach Materialverbrauch und Zustand: 
160,--€ für 3 Wochen (Mietvertrag mit passiver Nutzung).
Beratungstätigkeit: nach Zeitbedarf
Mindestbestellmenge: zB Imkerei H. Singer: 10 Bestäubungseinheiten pro Einsatzplatz
Bei Produktbelastung (zB. „Plantom.“): zuzüglich Entsorgungskosten
Bei Materialkontamination vertraglich festgehaltene Materialkosten (75,-- € / Beute)
  
Der Bestäubungsvertrag, stets in direktem Konnex mit der apistischen Bestäubungsrichtlinie, wird von Herrn MMag. Haselsteiner (www.fhkommunikation.at) als administrative und juristische Bestäubungsrichtlinie vorgestellt und gegebenenfalls individuell ausgestaltet. Organisierte Bestäubungsdienstleistung mit „Bestäubungsvertrag“ (MMag. Haselsteiner) wird neue Impulse in der Imkerei schaffen. 
 
 Bestäubungstätigkeit ist in Mittel- und Nordeuropa für viele Imkereibetriebe in naher Zukunft ihre Existenzgrundlage, wenn sie professionell und fachlich fundiert ausgeübt wird. Nur dann kann sie sich etablieren und Erfolge bei den Fruchterträgen werden sie bestätigen.  

Eine organisierte Bestäubungsdienstleistung hat sowohl für die Volkswirtschaft insgesamt als auch für eine intakte Umwelt unersetzliche positive Auswirkungen.  

Die Literaturliste kann schriftlich angefordert werden.