Honigbienen verschwinden

Honigbienen verschwinden und hinterlassen Anbaupflanzen und Züchter in Gefahr


Ein Artikel von Alexei Barrionuevo, erschienen am 27.Feb.2007 in „The New York Times“
Übersetzung ins Deutsche von Tanja Luftensteiner
Originaltext in Englisch

Visalia, Calif., 23. Feb. – David Bradshaw wurde in seinem Leben als Imker schon unzählige Male von Bienen gestochen, doch den größten Schock seiner Karriere erlitt er letzten Monat als er seine Bienenstöcke öffnete und bemerkte, dass gut die Hälfte seiner 100 Millionen Bienen fehlte.

In 24 Bundesstaaten des Landes erlebten Bienenzüchter ähnliche schockierende Situationen. Das unerklärliche Verschwinden der Bienen hat bereits eine alarmierende Rate erreicht, denn es betrifft nicht nur den Lebensunterhalt der Imker sondern auch das Gedeihen der Anbaupflanzen, vor allem Kaliforniens Mandeln, eine der profitträchtigsten Anbaupflanzen des Landes.

Bradshaw (50): „So etwas habe ich noch nie gesehen. Alle Bienenstöcke sind leer. Da ist einfach nichts mehr drin“

Diese plötzlichen mysteriösen Verluste führen nun ans Tageslicht welche unersetzbare Rolle Honigbienen in unserer Nahrungskette spielen. Denn erst durch ihre Bestäubung füllen sich unsere Supermärkte und Esstische mit Früchten und Gemüse.

Bienenzüchter mussten schon immer gegen regionale Krisen kämpfen, doch dies ist die erste auf nationaler Ebene.

Es ist vergleichbar einer Geschichte von Agatha Christie – die Bienen fliegen aus um Pollen und Nektar zu sammeln, doch kehren nie wieder zu ihren Kolonien zurück. Niemand weiß warum. Forscher meinen, dass die Bienen vermutlich in den Feldern sterben, vielleicht fallen sie aus Erschöpfung oder Orientierungslosigkeit letztlich der Kälte zum Opfer.

Auf der verzweifelten Suche nach Antworten, fanden die Forscher einen Namen für das Syndrom - „Collony Collapse Disorder“ - ein durch eine Fehlsteuerung verursachter Zusammenbruch des Bienenvolks.

Unter den Bienenzüchtern verbreitet sich nun Nervosität über die Leistungsfähigkeit der kommerziellen Bienenindustrie, denn die Nachfrage nach Bienen zur Bestäubung von dutzenden Anbaupflanzen wie Mandeln, Avocados und Kiwis wächst.

Gemeinsam mit kürzlichen Belastungen der Bienen selbst und wachsenden Spannungen innerhalb der Industrie, befürchten manche, dass diese Störung auch für große Imker das Ende bedeuten könnte.

Eine Studie der Cornell Universität hat gezeigt, dass Honigbienen in den USA jährlich Saaten und Anbaupflanzen (vor allem Früchte, Gemüse und Nüsse) im Wert von mehr als 14 Milliarden Dollar  bestäuben. „Jeder dritte Bissen, den wir konsumieren, ist von einer Honigbiene und ihrer Bestäubung abhängig“, so Zac Browning, Vize Präsident der Amerikanischen Bienenzüchter Vereinigung. 

Die Verluste der Bienen betragen zwischen 30% und 60% an der Westküste, einige Imker der Ostküste und in Texas haben Verluste von bis zu 70% zu beklagen. Normal für diese Jahreszeit wären Verluste bis höchstens 20%.

Imker sind die Nomaden der Landwirtschaft, die in der Obskurität ihrer weißen Schutzanzüge arbeiten und mit ihren Insekten quer durchs Land fahren um nach Bestäubungsarbeit zu suchen.

Einst eine Domäne für Hobbyliebhaber mit einer Hand voll Bienenstöcken im Hinterhof, ist die Bienenzucht nun zunehmend kommerziell und konsolidiert geworden. Während der letzten zwei Jahrzehnte nahmen die Anzahl der Bienenvölker, die nun von Landwirtschaftsdepartement auf 2,4 Millionen festgelegt wurde, um ein Viertel und die Zahl der Bienenzüchter um die Hälfte ab.

Es wurde viel Druck auf die Bienenindustrie ausgeübt. Die Kosten zur Erhaltung der Bienenvölker steigen, wenn ihre Zucht vermehrt zur Bestäubung als zur Honigproduktion gefordert wird. Außerdem haben die Imker durch die Urbanisierung der Landschaft Probleme Plätze zu finden, wo die Bienen genug Nektar sammeln können um während der Bestäubungssaison gesund und stark zu bleiben.

„Es gibt weniger Imker, weniger Bienen, aber mehr Anbaupflanzen zum Bestäuben“, so Browning. „Das mag vielleicht gut klingen fürs Bienengeschäft, doch durch all die Ausfälle und Aufwende wegen der Krankheit sowie durch Schädlinge und höhere Ausstattungskosten, fällt die Rentabilität eigentlich.“

Rund 15 besorgte Imker kamen diesen Monat mit Forschern in Florida zusammen um sich über den Umgang mit dem großflächigen Bienensterben zu beraten. Es gibt eine Reihe von Theorien, die den Grund des Problems zu erklären versuchen. Ursachen könnten sein ein Virus, ein Pilz oder Unterernährung der Bienen.

Es werden auch einige Pestizide untersucht, die in europäischen Ländern verboten  sind, um zu sehen ob sie die angeborene Fähigkeit der Bienen den Weg zurück zu ihrem Stock zu finden, irgendwie beeinflussen.

Es könnte auch sein, dass die Bienen ausgebrannt sind, weil ihre Saison immer früher beginnt. Bereits im Februar muss die Mandelblüte bestäubt werden. Das verringert ihre Immunabwehr gegen Viren.

Weiters  wurden die Kolonien durch Milbenbefall beschädigt. Auch die Insektizide, die die Milben töten sollen, haben schlechte Auswirkungen auf das Brutverhalten der Königinnen. Außerdem leben die Königinnen nur mehr halb so lang wie noch vor einigen Jahren.

Forscher sind sich auch einig, dass das häufige „Bienenwandern“ zum Stress der Bienen beitragen und außerdem die Verbreitung von Viren und Milben beschleunigen könnte.

Dennis van Engelsdorp, Bienenspezialist aus Pennsylvania und Mitglied des Forschungsteams, das „Collony Collapse Disorder“ untersucht, erklärte dazu, dass „die starke Unterfunktion  des Immunsystems“, welche die Forscher festgestellt haben, „das AIDS der Bienenindustrie sein könnte“, das die Bienen anfälliger für andere Krankheiten macht und sie letztendlich auch tötet.

Seit längerer Zeit versuchen die Bauern Wege zu finden um auch ohne die Bestäubung der Bienen auszukommen. Schon in den letzten Jahrzehnten haben sie alles versucht um Pollen über die Pflanzen zu streuen, von gigantischen Blasebalgen über Helikopter und Mörtelschalen. Erst kürzlich haben die Forscher versucht „sich selbst bestäubende“ Mandelbäume zu entwickeln, die weniger Bienen benötigen. Ein Konzern versucht sogar die „Blaue Plantagen Biene“ zu kommerzialisieren. Sie besitzt keinen Stachel und kann auch bei kälteren Temperaturen ausfliegen.

Seit den 1980er Jahren mussten die Bienenzüchter zwei große Milbenplagen überstehen, welche viele Hobbyimker stürzten. Außerdem gibt es drei Fälle von unerklärlichen Krankheiten bei denen die Bienen einfach verschwunden sind, die bis ins Jahre 1894 zurückliegen. Jedoch waren diese Fälle auf kleine Gebiete begrenzt, so Van Engelsdorp.

Heute ist die Bienenzucht in einer schlechteren Position um mit diesen neuen Problemen fertig zu werden. Eine Flut von Importhonig aus China und Argentinien hat die Honigpreise nach unten gedrückt und macht den Imkern mehr Druck möglichst viele Bestäubungsverträge abzuschließen. Die Imker wandern jährlich mit zehn Milliarden Bienen durchs Land.

Kaliforniens Mandelanbau, der der Größte der Welt ist, benötigt allein im Februar die Hälfte der Bienenkolonien des Landes. So ist er einerseits ein Segen für die kommerzielle Bienenzucht, als auch eine Belastung, denn die Imker stehen unter Druck der großen Nachfrage gerecht zu werden. Im Moment besteht die Mandelkultur aus über 580 000 Äckern und erstreckt sich über 300 Meilen im Kalifornischen Central Valley, doch bereits 2010 wird ihr Anwachs auf 680 000 Äcker erwartet.

Oft verdienen Imker mehr, wenn sie ihre Bienen zur Bestäubung von Plantagen zur Verfügung stellen als wenn sie Honig produzieren. Durch den Mangel an Bienen zur Bestäubung der Plantagen in Kalifornien vor zwei Jahren wurden die „Bienenmietpreise“ hoch geschleudert und Imker von der Ostküste angezogen.

Dieses Jahr kostet eine Bienenkolonie rund $ 135, während dieselbe 2004 noch $ 55 kostete, so Joe Traynor, Bienenmakler in  Bakersfield, Calif.

Eine typische Bienenkolonie besteht aus 15 000 bis 30 000 Bienen. Doch die Kosten der Bienenzüchter steigen permanent. Im letzten Jahrzehnt haben sich die Preise für Treibstoff, Ausstattung und Bienenstöcke verdoppelt und verdreifacht.

Auch die Kosten für die Milbenbekämpfung sind gestiegen, genau wie der Preis für Bienenköniginnen von $ 10 vor drei Jahren auf $ 15.

Um den Bienen während ihrer Bestäubungsarbeit Kraft zu geben, verfüttern die Imker ihnen nun Eiweißpräparate und einen flüssigen Mix aus Saccharose und Maissirup, der mit großen Tankwägen geliefert wird. Eine Ladung kostet $ 12 000. David Bradshaw hat nachgerechnet, dass er alles in allem in den letzten Jahren jährlich $ 145 (ohne Arbeitskosten) für ein Bienenvolk aufwenden musste um es am Leben zu erhalten, aber nur $ 11 Profit pro Stock machte. In den letzten drei Jahren betrug sein durchschnittliches Jahresnettoeinkommen mit   4 200 Bienenvölkern $ 30 000.

„Einige Landwirte haben mich gefragt, ‚Warum machst du das?’. Ich habe mir dieselbe Frage gestellt. Trotzdem mag ich diesen Job. Er ist ein Lebensstil. Ich arbeite jeden Tag mit meinem Vater. Und nun beginnt mein Sohn mit uns zu arbeiten.“, so Bradshaw.

Mandeln erzielen die höchsten Preise für Bienen. Gibt es jedoch nicht genug Bienen, dann sind die Bauern darauf angewiesen Alternativen zu den Bienen zu finden oder die Vielfalt der Bäume zu verringern.
„Es wäre gut zu wissen, dass wir eine verlässliche Quelle von Honigbienen haben. Doch ich weiß in diesem Punkt nicht ob es genug Bienen für die Vielzahl der Äcker gibt“, so Martin Hein, Mandelbauer in Visalia.

Um die Verluste zu verkraften, mussten die Imker sich Bienen von anderswo beschaffen um ihre Verträge mit den Bauern erfüllen zu können. Lance Sundberg, Imker aus Columbus, Mont., erzählte, dass er in den letzten zwei Wochen $ 150 000 aufwenden musste um 1 000 Pakete Bienen (bestehend aus 14 Millionen Individuen) aus Australien zu kaufen.

Er hofft, dass die Australischen Bienen ihm helfen werden die Verluste von einem Drittel seiner 7 600 Bienenvölker, die über sechs Staaten verteilt sind, auszugleichen. „Wir haben jedoch große Angst, dass das Mixen von Bienenrassen das Bienensterben weiterführt.“, so Sundberg.
      
Wanderimkerei bringt eine einsames Leben mit sich, das viele mit Lastkraftwagen fahren vergleichen. Sundberg verbringt mehr als die Hälfte des Jahres damit mit 20 Lastwagenladungen Bienen durchs Land zu fahren.

In Terra Bella, eine Stunde südlich von Visalia, verzog Jack Brumley in seiner Ausstattungshütte eine Grimasse als er Rosa Patiño beobachtete als sie getrockneten Honig aus den Waben von dutzenden Bienenvölkern kratzte, in denen einst Bienen lebten. Rund 2 000 leere Stöcke, die einst ein Drittel seiner Völker beherbergten, wurden nun aufgestapelt.

Oft müssen Imker die Landbesitzer überreden das Aufstellen der Bienen auf ihrem Land um Nektar zu sammeln, zu erlauben. Ein großer Zitronenbauer drängte in Kalifornien zur Einführung einer „Flugverbotszone“ für Bienen mit einer Mindestgröße von zwei Meilen um sie davon abzuhalten eine kernlose Form von Mandarin Orangen zu bestäuben.

Die Qualität des Futters könnte einen Unterschied ausmachen. Letzte Woche benutzte Bradshaw einen Gabelstapler um einige seiner Völker von einer Gegend jenseits eines Flussbettes von Orangenhainen zu entfernen. Nur drei seiner 64 Kolonien dort sind tot oder verschwunden.

„Wahrscheinlich werde ich zwei oder drei weitere Jahre brauchen, um meinen Betrieb wieder normal aufzunehmen, sofern ich nicht Unmengen an Geld investieren muss, das ich nicht habe“, so Bradshaw.