Imkerinnen-Alltag

Der „Alltag“ einer Imkerin – das Bienenjahr im Jahresablauf.

Artikel: „Die Mölkerstiege“  Frühling 2007

Grundsätzlich gibt es in der Imkerei keinen „Alltag“, sondern vielmehr einen umweltbedingten, naturgegebenen Handlungsbedarf und diese Herausforderung, sich stets auf veränderte und veränderliche Naturvorgaben anpassen zu müssen, fasziniert mich alljährlich aufs neue. Es gibt in der Imkerei keine fixen Rezepte und keinen festgefahrenen Rhythmus. Die ImkerIn muss stets flexibel bleiben und nach sorgfältiger Beobachtung des Bienenvolkes bereit sein dem Weg, den die Bienen vorgeben, zu folgen.

Die Grundvoraussetzung für die Imkerei ist das Wissen um die Biologie des Biens. Das Bienenvolk ist ein Organismus bestehend aus Bienen (Arbeiterinnen), Drohnen (Männchen), einer Königin (Mutter), dem Wabenbau (Wachszellen) und dem Futtervorrat (Honig und Pollen). Die Nahrung der Bienen sind erstens „Kohlehydrate“ - die sie von Nektar aus Blüten und Honigtau von Laub- und Nadelgehölz sammeln, mit körpereigenen Enzymen anreichern und so den Honig, ein für den Bien lagerfähiges Grundnahrungsmittel produzieren – und zweitens „Eiweiß“ in Form von Blütenpollen. Blütenstaub von den männlichen Keimzellen der Pflanzen wird mit Drüsensekreten der Bienen angereichert, im Wabenbau gelagert und dient als Nahrung für den Eiweiß- Fett- und Vitaminbedarf . Diese Gegebenheiten sind für das Dasein eines Bienenvolkes ein Überlebensfaktor der in der Imkerei stets beachtet werden muss. Mit diesem Grundwissen um das Lebewesen Bien kann durch gezielte Völkerführung eine Mehrproduktion von Bienenprodukten erreicht werden, die geerntet als gesunde und wertvolle Naturnahrungsmittel mit „Heilkraft“ uns Menschen dienen.  

Das Bienenjahr beginnt im Herbst und obwohl im August/September das Arbeitsende der laufenden Bienensaison in greifbare Nähe rückt, bedeutet dieser „Abschluss“ stets zugleich den „Neustart“ für das folgende Jahr. Diese wunderbare Möglichkeit einer imkerlich beeinflussbaren gekoppelten „Ende-Start Situation“ zwingt die ImkerIn unweigerlich zur Voraussicht und lässt keinerlei Raum für ein gleichförmiges Zu-Ende-Führen. Ähnlich dem Balanceakt der Bienen-Erneuerung im Frühjahr erfolgt in dieser Zeit im Bien die überlebenssichernde Umstellung und Aufzucht langlebiger Winterbienen, die im Gegensatz zu den 6 – 8 Wochen lebenden Sommerbienen eine Lebenserwartung von 6 – 8 Monate haben und dem Bienenvolk eine Überwinterung ermöglichen. Durch richtige und vor allem zeitgerechte Spätsommerpflege der Bienenvölker beeinflussen wir ImkerInnen  positiv die Aufzucht der Winterbienen. Bienenstarke und gesunde Völker mit ausreichendem Futtervorrat im Herbst sind der Grundstein für eine erfolgreiche Bienensaison im folgenden Jahr. Im Winter ziehen sich die Bienen in ihrer Behausung zu einer Wintertraube zusammen, in der sie sich aber ständig bewegen und so den überlebensnotwendigen Wärmehaushalt regeln. In dieser Zeit der Winterruhe sollte jede Störung des Bienenvolkes vermieden werden. Das imkerlich aktive Bienenjahr beginnt mit dem Erblühen der ersten Frühjahrsblumen. Ungeduldig erwarte ich alljährlich den ersten Ausflug der Bienen, denn dieses „Bienenerwachen“ ist für mich  der „Startschuss“ für die kommende Saison und ich freue mich jedes Jahr aufs Neue, endlich wieder Bienen zu sehen, zu hören und zu riechen.

Mit verstärktem Pollenangebot und ansteigender Lufttemperatur beginnt das Bienenvolk mit dem Brutgeschäft. Die Anzahl der Bienen vermehrt sich und die ImkerIn muss für eine entsprechende Raumgabe sorgen. Zur Obstblüte sind die „Honigräume“ zu geben indem  die ImkerIn Behältnisse mit Wabenbau (Leerrähmchen) dem Bienenvolk aufsetzt und somit Platz für die  Lagerung des erwartenden Honig- und Polleneintrages schafft  Auch die Möglichkeit einer Bauerneuerung – für neuen Wabenbau - muss gegeben werden, denn gleichsam unseren Bedürfnissen nachempfindbar ist auch für den Bien ein neues, sauberes Heim erstrebenswert. Um die Volksharmonie eines Bienenvolkes so wenig wie nur möglich zu stören ist darauf zu achten, das Brutnest - das Herzstück des Bienenvolkes – nach Möglichkeit nicht zu stören und bei Beachtung all dieser Erkenntnisse sind wir auf dem Weg zu einer bienengerechten Völkerführung. 

Ich behandle jedes Volk als Individuum entsprechend seiner Bedürfnisse. Nach erfolgter Aufbauarbeit, wie vorab beschrieben, werden in meiner Imkerei bei guter Tracht die jeweils erforderlichen Honigräume mit Leerwaben dem Bienenvolk aufgesetzt. Je nach Standort der Bienenvölker variiert das Saisonende, das mit der Honigabnahme eingeleitet wird. Während in Tal-Lagen bereits Ende Juni / Anfang Juli Trachtende ist und der verdeckelte Honig (die Bienen konservieren „reifen“ Honig indem sie die Honigzellen mit einer dünnen Wachsschicht überziehen) geerntet werden kann ist in der Gebirgsregion, in meinem Fall im Naturschutzgebiet Ötscher, nach der Waldtracht - gefolgt von einer mannigfaltigen Herbst Alpenblütenflora noch Hochsaison für die Bienen. In diesen Höhenlagen rechnen wir mit dem Trachtende Mitte August und  beginnen dann mit der Honigernte .Die Abnahme und anschließende Schleuderung der vollverdeckelten Honigwaben ist zwar eine körperintensive Tätigkeit, jedoch im wahrsten Sinne des Wortes „versüßt“ durch das Wissen eines der wertvollsten Naturprodukte zu ernten. Im Sinne der Qualitätssicherung muss der Honig schnellstmöglich geschleudert, d.h. mit Hilfe einer sich die Zentrifugalkraft zu Nutze machenden Honigschleuder aus den Wabenzellen genommen werden. Der leider oft auf Honiggläsern angeführte Vermerk „kalt geschleudert“ ist als irreführender Verkaufs- und Werbegag abzulehnen. Eine „Warmschleuderung“ gibt es nicht! Bienenwachs mit einem Schmelzpunkt von ca. 60° wird bei einer Temperatur von 40° bereits biegsam und weich sodass eine Honigschleuderung rein technisch und schon gar nicht praktisch möglich ist.

Naturbelassener, vollausgereifter Bienenhonig ist bei dunkler, kühler und trockener Lagerung nahezu unbegrenzt haltbar. Die auf Licht und Temperatur hochempfindlich regierenden  Enzyme im Honig sind die Indikatoren für die Honigqualität, d.h. die Enzymtätigkeit bestimmt die Qualität des Honigs. Honig muss als dynamisches Produkt gesehen werden das sich durch seine Einzelbestandteile (Enzyme, Inhibine, Zuckerverbindungen und vieler Spurenelemente) ständig ändern kann. Das Zusammenwirken aller Inhaltsstoffe und das ausgewogene Verhältnis seiner Wirkstoffe zueinander macht Honig zu einem der wertvollsten Produkte aus der Natur.

Unmittelbar nach der Honigentnahme muss das Bienenvolk mit einem Gemisch von Zucker und Wasser, einer sogenannten Zuckerlösung gefüttert werden, denn die dem Bienenvolk entnommenen überlebenssichernden Kohlehydrate müssen umgehend ersetzt werden. Ein Bienenvolk darf niemals hungern oder gerade noch irgendwie durchkommen, denn das zerrt an der Substanz des Biens und macht krankheitsanfällig – ohneweiters vergleichbar mit uns Menschen, denn auch wir sind gut ernährt robuster und vitaler.

Wenn alle Maßnahmen für eine gute Überwinterung der Bienen getroffen wurden haben sich die ImkerInnen der Wiederinstandsetzung aller Imkereigeräte zu widmen. Für mich beginnt „in dieser ruhigen Zeit“ auch die Vermarktung meiner erwirtschafteten Imkereiprodukte mit dem Verkaufs-Höhepunkt am „Mariazeller Advent“ .Über all  meinen  bienenzüchterischen Aktivitäten  steht stets das Wunderwesen Biene, meine Faszination für und meine Liebe zu diesem Insekt.

Mit der Gründung der „Plattform Imkerinnen Österreich“ konnte ich viele Imkerinnen ansprechen und auf die enorme Wichtigkeit ihrer Tätigkeit hinweisen. Es freut mich sehr, dass durch Informationsbeiträge der Imkerinnen im vergangenen Jahr viele Frauen für die Imkerei neu begeistert werden konnten.Die Plattform Imkerinnen Österreich schließt nicht aus und grenzt nicht ab, sondern will gemäß dem Leitsatz – Trennendes zu beseitigen und Gemeinsames aufbauen – alle positiven Kräfte bündeln im Sinne und zum Wohle aller Imker und Imkerinnen. Wenn wir den Bien lieben und seine biologischen Vorgaben beachten, werden wir in der Imkerei erfolgreich sein und indirekt positiv mitwirken bei der Erhaltung einer intakten Umwelt und Natur.


Heidrun Luftensteiner-Singer
Bienenzucht- und Lehrstation
CARNICA SINGER
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