Dorothea Heiser

Dorothea Heiser

Die ersten Schritte in meine Richtung
 
„Wer wie die Biene wäre,
die die Sonne auch durch den Wolkenhimmel fühlt,
die den Weg zur Blüte findet
und nie die Richtung verliert,
dem lägen die Felder in ewigem Glanz,
wie kurz er auch lebte.“
 
Mit diesem Zitat von Hilde Domin möchte ich beginnen, da es für mich einen Leitspruch darstellt, in der Hoffnung, dass auch ich getreu diesem Motto nie die Richtung verliere.  Um jedoch eine Richtung verlieren zu können, muss man eine einschlagen. Und dies tat mein Vater vor über 30 Jahren. Bereits mit zwölf Jahren hatte er sein erstes Bienenvolk und vermehrte ab diesem Zeitpunkt seinen Bestand kontinuierlich. So wuchs aus dem Nichts unsere heutige Imkerei, die meine Eltern gemeinsam seit über 20 Jahren hauptberuflich betreiben. Schon damals schlugen sie den Weg der Direktvermarktung ein und passten die Bienenvölkerzahl dieser Gegebenheit an: mit relativ wenigen Völkern (für eine Berufsimkerei) wird Honig geerntet, dieser jedoch zu einem akzeptablen Preis direkt an den Endkunden verkauft.  Ich bin in diese Situation hineingewachsen und die Bienen haben mich von Anfang an begleitet.

Allerdings bis zu meinem siebzehnten Lebensjahr eher beiläufig. Ich interessierte mich nicht weiter für den Beruf meines Vaters – wie das bei den meisten Kindern in diesem Alter ist. Ich half bei den nötigsten Arbeiten wie beim Schleudern, Honig abfüllen, etikettierte in meinen Ferien unseren Honig – aber mit den Bienen hatte ich nicht viel zu tun. Ich konnte sehr wohl den Unterschied zwischen einer Königin, einer Arbeiterin und einem Drohn erklären, war aber immer froh, wenn ich nicht mit
auf die Bienenstände fahren musste – aus Angst vor den Stichen.  

Nach meiner Schulzeit wählte ich den Weg wie viele meiner Freundinnen – ich begann eine Ausbildung im Büro – zur Industriekauffrau. Und mit diesem Schritt öffneten sich mir die Augen.
Schnell begann ich zu begreifen, was sich vor mir befand. Ein lebenlanges Arbeiten, an einem Ort, an dem ich mich in keinster Weise entfalten konnte und ich mich überhaupt nicht wohl fühlte.
Eingesperrt in einem Büro, in das ich morgens kommen und abends wieder gehen durfte – in dem ich tagtäglich Aufgaben erfüllte, die man mir zuteilte ohne ein Ergebnis zu sehen – nach dem zweiten Ausbildungstag wollte ich die Lehre abbrechen, nach dem dritten Tag und einem intensiven Gespräch mit meinen Eltern entschloss ich mich, die Lehre durchzuziehen aber eines stand fest – nach diesen drei Jahren musste sich etwas ändern.

So begann ich intensiv und bewusst nachzudenken, was ich mit meinem Leben anstellen wollte und entdeckte den Beruf meines Vaters neu und mit anderen Augen.  Ich sah die Vielfalt, die Abwechslung, die Naturverbundenheit, die zufrieden stellende Arbeit – eben das genaue Gegenteil von dem, was ich bisher gemacht hatte – und entschied mich, den Beruf
meines Vaters zu erlernen.  

Es hat allerdings eine Weile gedauert, bis ich mich zu diesem Entschluss durchringen konnte. Neben allen positiven Seiten hatte ich natürlich auch Angst, Angst vor der körperlich schweren Arbeit, Angst vor den Stichen und vor allem Angst davor, dass ich die Erwartungen, die an mich gestellt werden würden, nachdem ich aus einer Imkerfamilie komme, nicht erfüllen könnte.
 
Ich absolvierte meine zweijährige Ausbildung am Niedersächsischen Landesinstitut für Bienenkunde in Celle. Relativ schnell stellte sich heraus, dass ein Teil meiner Ängste völlig unbegründet waren. Es wurden uns die Grundlagen wirklich von Beginn an vermittelt und auch im theoretischen Unterricht ging es bei dem Unterschied der Arbeiterin zur Königin und zum Drohn los.  
So verbrachte ich zwei schöne Jahre in Celle, in denen ich sehr viel gelernt und für mein Imkerleben mitgenommen habe. Mir hat die Arbeit am Institut immer Spaß gemacht und ich war froh, dieses
Mal den für mich richtigen Beruf gefunden zu haben.

Jedoch zwei Jahre sind schnell vorbei. Erneut ging es mir durch meinen Kopf, was machst du nach deiner Lehre? Zurück in den elterlichen Betrieb erschien mir zu früh. Mit vielen meiner gleichaltrigen Kollegen habe ich während dieser Zeit verschiedene Möglichkeiten durchgespielt. Ein Teil wollte sich direkt nach der Ausbildung selbstständig machen, andere wiederum haben versucht, irgendwo eine Anstellung als Imkergeselle zu bekommen. Für mich kam beides nicht in Frage. Ich wollte noch mal weg, noch etwas anderes sehen, bevor ich mich im elterlichen Betrieb binden würde. Mein Wunsch war es, einmal ein Jahr im Ausland zu verbringen – verbunden mit der Imkerei, so dachte ich mir, würde ich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.  
Ganz oben auf der Liste stand Italien als mein persönliches Traumland. Nach einem Urlaub in Rom schon während meiner ersten Ausbildung, wollte ich unbedingt einmal längere Zeit in diesem Land
verbringen, um es besser kennen zu lernen.  

Ich begann mich umzuhören. Bei unseren Meistern im Institut, die mich an andere Berufsimker verwiesen, die wiederum Kollegen kannten....bis ich schließlich bei Dr. Albuin Stimpfl aus Südtirol
landete. Er war für mich ein Glücksfall, da er ein wirklich interessanter Imker ist, unheimlich viele italienische Berufsimker kennt und zugleich beide Sprachen fließend spricht. Ich absolvierte ein kleines Praktikum in seiner Imkerei – seine Bienenstandplätze erstrecken sich von Südtirol bis nach Kalabrien – und auf diesem Weg lernte ich einige seiner Berufskollegen kennen.  
Bei der Apicoltura Pasini in der Toskana blieb ich schließlich hängen. Es handelt sich hierbei um eine Berufsimkerei, die sich auf die Königinnenzucht und die Gelée Royale Gewinnung spezialisiert hat. Diese Gebiete waren für mich besonders interessant, da ich von der Gelée Royale Gewinnung bisher noch überhaupt nichts gehört hatte und die Königinnenzucht mir bereits in Celle sehr viel Spaß bereitet hat. Schon beim ersten Besuch mit Herrn Stimpfl kam ich aus dem Staunen nicht mehr heraus. Es war für mich unfassbar, als ich die großen Mengen des frisch gewonnenen, kostbaren Königinnenfuttersaftes sah.

Ab diesem Zeitpunkt stand für mich fest: ich wollte in diesem Betrieb lernen, lernen, lernen. Mein Italienisch beschränkte sich auf wenige, zusammenhangslose Wörter, die ich mir im Selbststudium
beigebracht hatte. Doch jetzt hatte ich ein Ziel, ich musste die Sprache lernen, um meinen Traum zu verwirklichen und die Chance zu nutzen, in einem solchen Betrieb arbeiten zu können.  
Mit Bruno Pasini wurde ein Praktikum im Herbst 2004 vereinbart – gleich nach der Ausbildung. Davor hatte ich allerdings noch meine Abschlussprüfung zu absolvieren, die ich im August 2004 als
Beste unseres Jahrganges ablegte und somit ein Stipendium der Begabtenförderung erhielt. Dieses wollte ich nutzen, um einen Sprachkurs zu belegen, vorausgesetzt ich dürfte im kommenden Jahr im
Betrieb Pasini arbeiten. Das 14-tägige Praktikum sollte uns beiden die Gelegenheit bieten, sich besser kennen zu lernen. Ich bekam in diesen beiden Wochen einen Einblick in den Betrieb und arbeitete voll mit. Unsere Hauptaufgabe bestand darin, die Königinnenvermehrung durchzuführen, was ich mühelos vollbrachte, da ich dies bereits in meiner Lehre zur Genüge getan hatte. Aber ich durfte auch bei der Gelée Royale Gewinnung dabei sein, was für mich immer ein Höhepunkt darstellte. Es zeigte sich, dass wir beide Interesse an einer Zusammenarbeit hatten. Bruno befand sich immer auf der Suche nach Mitarbeitern, die selbstständig arbeiten können und Erfahrung im Umgang mit Bienen haben da ihm die Zeit fehlte, seine Arbeiter auch noch auszubilden bzw. anzuleiten.  
Zwar nicht ganz fließend aber dennoch ausreichend besprach ich mit Bruno Pasini am Ende dieser zwei Wochen alles Nötige für das kommende Jahr und war voller Vorfreude auf diese Zeit, als ich
wieder nach Hause fuhr. Durch die bevorstehende Anstellung in einer italienischen Imkerei ging für mich ein Traum in Erfüllung. Ich konnte es nicht abwarten, bis der Januar 2005 kam und ich endlich meinen vierwöchigen Sprachkurs in Florenz beginnen konnte.

In einem Monat lernte ich unglaublich viel, da der Unterricht ausschließlich auf Italienisch stattfand. So reiste ich Anfang März schließlich zu meinem zukünftigen Arbeitgeber und war nicht mehr ganz so hilflos wie noch bei unserem ersten Treffen.

Der Rest kam ganz von alleine. Ich arbeitete und wohnte mit jungen, italienischen Kollegen zusammen und somit setzte sich fort, was in Celle begann. Die Arbeit machte mir unheimlich viel Spaß. Es war natürlich schön, dass ich nicht alleine arbeitete sondern mit Gleichaltrigen zusammen. Ich berichtete von Deutschland, von der dortigen Imkerei, von der Art der Ausbildung, die es in Italien überhaupt nicht gibt und umgekehrt konnten sie mir einiges über die italienische Imkerei erzählen. Da meine drei Kollegen aus drei völlig unterschiedlichen Regionen kamen (Toskana, Sardinien, Sizilien) bekam ich so einen Eindruck von den regionalen Unterschieden, die in der italienischen Imkerei – ähnlich wie in Deutschland – existieren. Unsere Aufgabe bestand darin, die Königinnenvermehrung vorzunehmen, außerdem betreuten wir die Wirtschaftsvölker. Es war unheimlich schön und interessant, in dieser völlig anderen Vegetation, mit einer anderen Biene zu imkern.  
Doch so gut es mir gefiel, so schnell ging es vorbei. Der Hochsommer kam, die Begattungskästchen wurden ins nahe gelegene kühlere Gebiet des Monte Amiatas gebracht – und das Ende der Saison
rückte unweigerlich immer näher. Es stand von vornherein fest, dass ich nicht länger bleiben konnte. Die Imkerei Pasini hätte es gerne gesehen, wenn ich mehrere Jahre bei Ihnen gearbeitet hätte aber das wiederum wollte ich nicht. Es stellte für mich eine sehr schöne und hilfreiche Erfahrung dar aber über mehrere Jahre hätte mir dir Herausforderung gefehlt. Ausschließlich  Königinnenvermehrung wäre mir zu eintönig gewesen.

Was stand noch für mich zur Auswahl? Meine Ausbildung hatte ich gemacht, ich war im Ausland, habe eine andere Berufsimkerei kennen gelernt und jetzt wollte ich mein erlerntes Wissen endlich einmal eigenverantwortlich in die Tat umsetzen und eigene Ideen verwirklichen. Ich entschloss mich, zurück zu kehren, mich selbstständig zu machen und einen in Deutschland völlig neuen Weg, den der Gelée Royale Produktion zu betreten. So kam ich Anfang November aus Italien zurück und Ende Dezember 2005 begann der für mich bisher schwierigste Teil, die Selbstständigkeit mit einer Ich-AG. Mittlerweile sind weitere knapp eineinhalb Jahre vergangen und ich weiß, warum ich der „schwierigste Teil“ schreibe. Ich habe mich bereits in meiner Ausbildung viel mit meinen Kollegen darüber unterhalten, da es letztendlich in unserem Beruf (fast) keine Alternative gibt. Zudem kenne ich die Selbstständigkeit von klein auf von meinen Eltern aber trotz allem hätte ich es mir nicht so vorgestellt, wie es jetzt ist.  

Auch vor diesem Schritt hatte ich Bedenken und natürlich Ängste, diesmal war es die Angst davor, alleine zu arbeiten. Das Wissen, dass ich eigenständig handeln muss und auch die Konsequenzen für
dieses Handeln tragen muss. Wenn etwas schief geht, stehe ich vor einem Problem, wenn etwas klappt, gibt es nichts Schöneres! Aber es ist dieses auf und ab, dieses Risiko, das mir manchmal Kopfzerbrechen bereitet. Auch wenn schon eine Imkerei besteht, auch wenn die Betriebsgebäude und Mittel überwiegend vorhanden sind, so muss ich doch lernen, selbstständig zu arbeiten, mein Einkommen zu verdienen und meine Produkte zu vermarkten.

Auf diesem Weg befinde ich mich noch ganz am Anfang, und ich kann nur wieder auf den einleitenden Spruch kommen und sagen, ich hoffe, dass ich dabei nicht die Richtung verlieren werde. Das, was mein Vater begonnen hat, möchte ich fortsetzen, nämlich Produkte von höchster Qualität zu erzeugen. Nur durch Qualität kann man sich meiner Meinung nach von der Masse unterscheiden und so seinen Weg finden bzw. sich auf dem Markt behaupten. Dass das nicht einfach ist, habe ich in meinem ersten Jahr der Selbstständigkeit bereits gemerkt. Gerade mit Gelée Royale, das ich seit letztem Jahr von meinen Völkern auf dem Immenhof gewinne, begebe ich mich auf ein völlig neues Gebiet. Mit dem Preis, das importiertes Gelée Royale kostet, kann ich lange nicht mithalten. Ich muss diesen Punkt außen vorlassen und durch meine Qualität und die Frische des Produktes überzeugen. Dies erreiche ich, indem ich das Gelée Royale sofort nach der Ernte gekühlt und lichtgeschützt lagere – was wiederum auf Zufriedenheit und Zustimmung bei meinen Kunden stößt. Wenn man dann noch erfährt, dass man einem Menschen mit dem Bienenprodukt geholfen hat, so entschädigt das für Vieles.
 
Anknüpfend an diese Erlebnisse, werde ich in diesem Jahr von unseren Völkern versuchen, Pollen zu ernten und diesen im frischen, tiefgefrorenen Zustand anzubieten. Auch bei den Königinnen achte ich darauf, dass meine Kunden zufrieden sind. Ich versuche vom Umlarven über die Aufzucht bis zur Begattung darauf zu achten, dass die Königin ihrer natürlichen Umgebung so nah wie möglich kommt, um am Ende eine leistungsfähige, gesunde Königin abzugeben. Dieser Weg mit dieser Richtung ist vielleicht etwas steiniger und langwieriger aber ich bin überzeugt, auf Dauer gesehen, führt er zum Erfolg.
 
Das ist also die Richtung, die ich eingeschlagen habe und von der ich bisher nur einige Schritte zurückgelegt habe. Dass ich das als Frau in einem Männerberuf tue, hat mich nie weiter beeinflusst. Ich bin in dieser Sache auch nie auf Probleme gestoßen – im Gegenteil, oft erfährt man diesbezüglich Aufmerksamkeit.  
Die Arbeit ist zu schaffen – es gibt mittlerweile so viele Hilfsmittel, wenn man nicht ganz so stark sein sollte. Deshalb kann ich Ihnen nur raten, machen Sie das, was Ihnen Freude bereitet und sie werden mit dem Herzen dabei sein, was wiederum die wichtigste Vorraussetzung ist, um Erfolg zu haben – und das wünsche ich Ihnen!
 
Februar 2007  
Dorothea Heiser, 24 Jahre
www.heiserimkerei.de